Falls du so naiv bist wie ich bei der Eröffnung der RheinMediation, fängst du einfach an: Flugs ein Büro gemietet, Schild an die Tür, und Webseite veröffentlicht.
Die Idee: Alle, die Streit haben, finden die Homepage (oder das Türschild), lesen, da gibt‘s Mediation und denken ‚prima, da wird mir ja geholfen‘ und engagieren dich als Mediator.
Die Realität: Das Telefon schweigt, ich überprüfe ständig, ob die E-Mail-Adresse wirklich funktioniert, und wenn es an der Tür klingelt, ist es ein Paket für den Nachbarn über mir.
Irgendwann denkt du dann, ich muss mal was tun, dass die Leute auch von meiner Existenz erfahren – und schaltest (beispielsweise) Google-Ads. Da bekommt die Suchmaschine Geld dafür, dass du bevorzugt eingeblendet wirst, wenn Benutzer:innen nach bestimmten Begriffen suchen. Eine tolle Erfindung, besonders für Google.
Das Problem: wenn du nicht sehr sorgfältig die Suchintention der Benutzerin mit der Gestaltung der Anzeige (und der Webseite, auf die diese verweist) abgleichst, passiert es eher selten, das wirklich jemand auf diesem Weg deine Dienstleistung in Anspruch nimmt. Gleichwohl kostet jeder Klick auf die Anzeige Geld, und zwar deins. Das Anzeigenschalten so umzusetzen, dass es wirtschaftlich ist, ist eine Kunst für sich. Die technische Umsetzung ist jedenfalls der viel kleinere Teil, viel entscheidender ist es, die richtigen Formulierungen und die richtige Gestaltung zu finden, die den Suchenden das Gefühl geben, ‚Oh, hier bin ich richtig!‘. Und, genauso wichtig: denen, die nicht deine Zielgruppe sind, zu zeigen: Hier gibt‘s nichts für Euch, bitte weitergehen!
OK, Lehrgeld abgeschrieben, nächster Versuch.
Diesmal habe ich mir von Internet-Agenturen beim Mediationsmarketing helfen lassen. 1. Variante: wir optimieren deine Website, tragen dich in (irgendwelche ominösen) Verzeichnisse ein und schalten Werbeanzeigen. ‚Na, endlich geht es voran‘, dachte ich. ‚Was so teuer ist, muss ja gut sein‘. Hätte ich mal ins Kleingedruckte geschaut: da stand nämlich, dass ich die Texte und Bilder dazu liefern soll. Mit anderen Worten, an meinem Grundproblem hat sich nichts geändert: dass nämlich die Qualität dieser Texte und Bilder über den Erfolg entscheiden. Die korrekte technische Umsetzung ist zwar notwendig für den Erfolg, aber nicht hinreichend. (Das hätte ich mir mal aus dem Mathematikunterricht hinter die Ohren schreiben sollen…)
Ich mach‘s kurz: es war zwar arbeitsreich und teuer, es hat sich auch was bewegt, aber es war nicht sonderlich wirtschaftlich.
Auf zur 2. Variante: ‚Das passiert dir nicht nochmal‘, sagte ich mir. ‚Jetzt beauftragst du eine Agentur, die auch das Texteschreiben übernimmt‘. Nun hatte ich Texte, die gut performten. Blöderweise beschrieben sie aber eine Haltung und eine Dienstleistung, die nicht viel mit dem zu tun hatten, was ich tue und wofür ich stehe. Ich war nun fremd im eigenen Haus. Auch hatte ich das Gefühl – und das ist ja auch logisch – dass ich die falschen Kund:innen anzog. Wo es zwischenmenschlich nicht so gut passte, und die Ergebnisse nicht so überzeugend waren. Also habe ich diese Texte wieder abgeschaltet, und beschlossen, dass 1. Marketing nichts für Mediation ist, und 2. ich selbst vom Typ her für Marketing und ungeeignet bin. ‚Das bin ich halt nicht‘, habe ich mir gesagt.
Dass ich in dieser Zeit trotzdem gut zu tun hatte, lag daran, dass ich in der echten Welt viele Ideen und Vorgehensweisen umgesetzt habe, die gut geklappt, und für eine gute Auslastung gesorgt haben. Der Groschen, die Grundideen dieser Vorgehensweisen auf mein online-marketing anzuwenden, ist merkwürdigerweise erst Jahre später gefallen.
Der wichtigste Schluss, den ich heute aus diesen Erfahrungen ziehe: Ich komme als Mediationsunternehmer nicht umhin, meine Texte selbst zu schreiben. Banal? Mitnichten. Denn diese Texte haben viele Aufgaben:
1. Sie sind ein Dialog mit unseren potentiellen Kund:innen. Die Stimme dieser Texte hallt (hoffentlich…) im Bewusstein der Leser:innen nach und regt zur Auseinandersetzung mit den Inhalten an, die Leser:in antwortet im inneren Dialog auf gemeinsame Werte (‚Ja, genau, das finde ich auch!‘) oder gewagte Thesen (‚Das könnt ihr eurem Zahnarzt erzählen‘), und diesen Dialog führen wir fort, wenn wir dann in echt am Telefon sprechen oder zusammen arbeiten.
2. Sie regen einen Perspektivwechsel im Umgang mit ihren Konflikten an: alle, die nach dem Lesen so überzeugt sind, dass sie Kontakt mit uns aufnehmen, haben diesen Perspektivwechsel vollzogen.
3. Sie geben Gelegenheit uns, unsere Haltung und die Methode Mediation kennenzulernen.
4. Sie sind am Vertrauensaufbau beteiligt: ‚Wenn ich diese Texte lese, bekomme ich ein gutes Gefühl, dass wir zusammenpassen könnten.‘ Das liegt daran, dass wir die Menschen, mit denen wir zusammen arbeiten möchten, mit ihren Anliegen so beschreiben, dass sie sich wieder erkennen.
Ich würde so weit gehen, alles, was wir unternehmen, damit die richtigen Menschen zu uns finden, als die 0. Phase der Mediation bezeichnen.
Mediationsmarketingkompetenz ist Mediationskompetenz, weil wir die gleichen Kompetenzen dafür brauchen: Empathie, Allparteilichkeit, Phantasie, Mut. Ein gewisses Händchen für Prozesse. Und mindestens so gut zuhören zu können, wie wir reden können. Ähm, und Geduld.
Daher denken wir auch, dass Marketing für Mediator:innen etwas Spezifisches ist: Ganz bestimmt können wir keine schreihalsige Werbung betreiben, und ganz bestimmt müssen die Formen, die wir wählen, mit unserer Haltung als Mediator:innen harmonieren. Ich hätte nie von mir selbst geglaubt, dass ich das Thema ‚Marketing‘ mal ernsthaft und intrinsisch interessant finden würde – und doch ist es die Reise, auf der wir uns gerade befinden: Marketing für Mediator:innen immer besser zu durchdenken und anzuwenden, zu leben. Danke, Universum!
RheinMediation - Kultur der Verständigung
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